Arbeitsrecht: verhaltensbedingte Kündigung, Anforderungen an eine Abmahnung

Arbeitsgericht Bochum, Urteil v. 19.10.2017, Az. 4 Ca 930/17

Das Arbeitsgericht Bochum hatte sich in der vorbenannten Entscheidung mit der Frage der Rechtswirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Abmahnung zu befassen, in der der Arbeitgeber es in der Abmahnung mit der Androhung der Rechtsfolgen bei weiteren Pflichtverletzungen durch den Arbeitnehmer übertrieben hat. Gleichzeitig hat das Gericht sich auch grundsätzlich zu den Anforderungen an eine wirksame Abmahnung geäußert und die Grenzen der Zulässigkeit aufgezeigt.

Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber einen Pflichtverstoß der Arbeitnehmerin gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten abgemahnt, dabei indessen der Arbeitnehmerin im Abmahnungstext darüber hinaus sehr weitreichend angedroht, dass diese mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen müsse, wenn sie sich einen weiteren Verstoß gegen ihre arbeitsvertaglichen Pflichten zu Schulden kommen lasse, der auch nicht nur auf die Wiederholung der konkret abgemahnten Pflichtverletzung beschränkt sei, sondern jeglichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten umfassen sollte. Die Arbeitnehmerin wehrte sich gegen die Abmahnung und forderte die Entfernung aus der Personalakte.

Nach der Ansicht des Arbeitsgerichts Bochum war diese Abmahnung - unabhängig davon, ob die Arbeitnehmerin tatsächlich und im konkreten Fall gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hatte - schon deshalb rechtswidrig und aus der Personalakte zu entfernen, weil der Arbeitgeber sich nicht an die rechtlich zulässigen Vorgaben an eine Abmahnung gehalten hat. Eine Abmahnung, auf die dann bei wiederholtem Fehlverhalten eine verhaltensbedingte Kündigung gestützt werden könnte, liegt dann, aber auch nur dann vor, wenn der Arbeitgeber unter anderem in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungs- und Verhaltensmängel beanstandet und damit den eindeutigen Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfall der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

Die Abmahnung beinhaltet neben der Dokumentationsfunktion und der Hinweisfunktion vor allem die Warn- und Ankündigungsfunktion mittels derer der Arbeitgeber den Arbeitnehmer davor warnt, dass im Wiederholungsfalle eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses droht. Bei einer mit einer vorangegangenen Abmahnung begründeten Kündigung muss der Wiederholungsfall, auf den die Kündigung dann gestützt wird, vergleichbar mit dem zuvor abgemahnten Verstoß gewesen sein. Es bedarf nach Ausspruch der Abmahnung eines weiteren einschlägigen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers, um eine Kündigung sozial rechtfertigen zu können. Denn nur dann steht fest, dass die Warnfunktion der Abmahnung, die gerade das zukünftige Verhalten des Arbeitnehmers verändern soll, nicht erfüllt worden ist.

Erforderlich ist somit, dass das abgemahnte Fehlverhalten auf der gleichen Ebene gelegen hat, wie der nachfolgende Kündigungsvorwurf (sprich "einschlägig" war). Der auf eine Abmahnung folgende Wiederholungsfall bzw. die erneute Pflichtverletzung muss gleichartig und vergleichbar sein. Die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten müssen aus dem selben Bereich stammen, Abmahnung und Kündigungsgründe müssen somit in einem inneren Zusammenhang stehen.

Die Arbeitsgericht Bochum ist gemessen an den zuvor dargestellten Grundsätzen im konkreten Fall sodann zu der Ansicht gelangt, dass der Arbeitgeber nicht berechtigt war, der Arbeitnehmerin mit einer Kündigung zu drohen. Denn der Arbeitgeber hatte hier der Arbeitnehmerin in seiner Abmahnung mit einer Kündigung nicht nur für den Fall einer Wiederholung der konkret angenommenen Pflichtverletzung gedroht, sondern mit einer Kündigung für jeden weiteren Verstoß gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten gedroht, gleichgültig, ob dieser mit dem abgemahnten Verstoß vergleichbar ist oder nicht. Zu einer solchen Kündigungsandrohung ist der Arbeitgeber nach Ansicht des Gerichts nicht befugt, weil diese über das zulässige Maß hinaus geht. Die Arbeitnehmerin hätte sodann nicht nur bei zukünftigen, aus Sicht des Arbeitgebers weiteren Pflichtwidrigkeiten aus dem selben Bereich mit einer ggfs. sogar mit eine fristlosen Kündigung rechnen müssen, sondern auf Basis des Abmahnungsschreibens für jeden beliebigen Fall einer auch nur geringfügigen und gänzlich anders gelagerten Pflichtwidrigkeit. Eine solche uferlose Androhnung einer Kündigung entspreche nicht der für die Rechtswirksamkeit einer Abmahnung erforderlichen korrekten Erfüllung der Warn- bzw. Ankündigungsfunktion.

Das Gericht hat in der Formulierung dieser hier "über das Maß hinaus schießenden" Kündigungsandrohung auch nicht etwa ein Versehen oder einen Formulierungsfehler des Arbeitgebers angenommen, sondern dies im konkreten Fall unter Berücksichtigung weiterer Umstände (hier einer zuvor vom Arbeitgeber bereits ausgesprochenen, aber zurückgezogenen, weniger weitreichend formulierten Abmahnung)als Ergebnis einer bewussten, sorgfältigen und auf Gewinnung möglichst umfangreicher Rechte des Arbeitgebers gegenüber der Arbeitnehmerin gerichteten Abmahnungsformulierung erkannt.

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