Arbeitsrecht: Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel

Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 24.08.2016, Az. 5 AZR 703/15

In zahlreichen Arbeitsverträgen finden sich sogenannte Verfallklauseln oder Ausschlussfristen, wonach - im Interesse einer schnellen Klärung der wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innterhalb einer bestimmten Frist bei dem Vertragspartner geltend gemacht werden. Solche Ausschlussklauseln können in der Regel wirksam vereinbart werden, sofern die von der Rechtsprechung vorgebenen Mindestfristen eingehalten werden.

Ausschlussfristen oder Verfallklauseln gelten jedoch nicht für gesetzliche Mindestlohnansprüche. Diese dürfen vertraglich nicht abbedungen oder eingeschränkt werden.

In aller Regel stellt der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag mit der darin enthaltenen Ausschlussklausel im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Das Bundesarbeitsgericht hat in der vorgenannten Entscheidung festgestellt, dass solche Ausschlussklauseln (oder Verfallfristen) in AGB unwirksam sein können, wenn diese Mindestlohnansprüche nicht ausdrücklich von dem Anwendungsbereich der Klausel ausnehmen.

Im entschiedenen Fall hatte ein Pflegedienst folgende Klausel mit dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich vereinbart:

"Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit schriftlich erhoben werden.... Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innnerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf geltend gemacht wird."

Solche Klauseln finden sich in vielen Arbeitsverträgen. Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass seine Ansprüche (z.B. ausstehende Vergütungsansprüche u.a.) unter Umständen nicht mehr durchgesetzt werden können, wenn er nicht rechtzeitig tätig wird.

Das Bundesarbeitsgericht hat in dem vorliegenden Fall des Pflegedienstes entschieden, dass diese Klausel auch den Anspruch auf das Mindesentgelt des Arbeitnehmers nach der PflegeArbbV erfasst und damit im Anwendungsbereich dieser Verordnung unwirksam ist, weil sie damit gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nämlich der vertraglichen Beschränkung des Mindestlohnanspruchs.

Die Ausschlussfristenregelung sei intransparent, da sie die Rechtslage irreführend darstelle und dem Arbeitnehmer suggeriert, er müsse auch den Anspruch auf das Mindesentgelt innerhalb der darin vorgegebenen Fristen außgergerichtlich und gerichtlich geltend machen. Damit besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer bei Verstreichen dieser Fristen den Anspruch auf das Mindestentgelt nicht mehr durchsetzt, obwohl noch kein Verfall eingetreten ist. Nach dem Bundesarbeitsgericht ist diese arbeitsvertragliche Verfallklausel, die auch den Anspruch auf Mindestlohn erfasst bzw. nicht ausdrücklich von dem Anwendungsbereich der Klausel ausnimmt, damit in Gänze unwirksam, das heißt, sie kann dann auch nicht mehr für andere Ansprüche des Arbeitnehmers (oder Arbeitgebers) aufrecht erhalten bleiben.

Diese Entscheidung könnte sich daher generell auf Ausschlussklauseln oder Verfallklauseln in Arbeitsverträgen auswirken, wenn von der jeweiligen Verfallklausel Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich ausgenommen werden. Jedem Arbeitnehmer ist anzuraten, seine Ansprüche immer zügig und rechtzeitig vor Ablauf der Fristen bei seinem Arbeitgeber bzw. gerichtlich geltend zu machen. Indessen kann die vorliegende Entscheidung zumindest eine Chance bieten, bei Verpassen der Fristen länger zurückliegende Ansprüche trotz Ausschlussklausel doch noch durchzusetzen, wenn die Klausel nicht ausdrücklich Mindestlohnansprüche von dem Verfall ausnimmt. Inwieweit die Rechtsprechnung des Bundesarbeitsgericht von den Gerichten jedoch auf andere Arbeitsverträge mit Verfallklausel (etwa bei Gutverdiendenden) außerhalb des hier entschiedenen Anwendungsbereichs übertragen wird, bleibt abzuwarten.

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