Verkehrsrecht / Unfallschadenregulierung: Höhe des Schadensersatzanspruchs bei fiktiver Abrechnung

BGH, Urteil v. 03.12.2013, Az. VI ZR 24/13

Nach einem fremdverschuldeten Verkehrsunfall kürzt der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers dem Geschädigten regelmäßig im Rahmen der sog. fiktiven Abrechnung - d.h. bei Abrechnung nur auf Basis des vom Geschädigten vorgelegten Schadensgutachtens - die durch den Gutachter kalkulierten Nettoreparaturkosten und zahlt dem Geschädigten dann entsprechend weniger aus, als im Gutachten als Nettoreparaturaufwand für die Reparatur ausgewiesen. Häufig werden die im Gutachten zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze für die kalkulierten Reparaturkosten und die Lackierkosten gekürzt und manche Positionen (wie Verbringungskosten) im Rahmen der fiktiven Abrechnung vom Versicherer ganz gestrichen.

Mit der Thematik, ob und unter welchen Voraussetzungen das Kürzen der kalkulierten Reparaturkosten durch den Versicherer zulässig ist, hat sich der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung zum wiederholten Male befasst und dabei seine vergangene Rechtsprechung erneut bestätigt.

Der Geschädigte darf, wenn die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung auf Gutachtenbasis vorliegen, seiner Schadensbezifferung im Grundsatz zwar die üblichen (und insoweit gegenüber freien Werkstätten höheren) Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Es besteht grundsätzlich ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt.

Aber: Der Versicherer unterzieht das vom Geschädigten vorgelegte Schadensgutachten in aller Regel einer internen Überprüfung und verweist den Geschädigten dann auf eine konkret benannte günstigere Reparaturmöglichkeit in einer konkret benannten freien Werkstatt. Wenn der Geschädigte hiernach bei der fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis bleibt und für ihn die vom Versicherer des Schädigers benannte günstigere Reparaturmöglichkeit mühelos und ohne Weiteres zugänglich, möglich und zumutbar wäre, muss sich der Geschädigte diese günstigere Reparaturmöglichkeit und damit die Kürzung der Kosten im Rahmen der fiktiven Abrechnung entgegen halten lassen. Hierzu muss der Versicherer bzw. Schädiger darlegen und im Streitfall beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Kann der Geschädigte im Gegenzug keine Umstände aufzeigen, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen, ist auf der Grundlage der preiswerteren Reparaturmöglichkeit abzurechnen. Bei der Frage der Unzumutbarkeit kann dann im Einzelfall u.a. auch die Frage des Fahrzeugalters und/oder der Umstand eine Rolle spielen, dass der Geschädigte sein Fahrzeug stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (Stichwort: scheckheftgepflegt).

Gleichwohl darf der Geschädigte natürlich den Schaden tatsächlich in der Werkstatt seines Vertrauens, also auch in einer markengebundenen Fachwerkstatt auf Basis der vom Gutachter kalkulierten Reparaturkosten beheben lassen und auch den Bruttorechnungsbetrag gegen Vorlage der Rechnung erstattet verlangen, wenn dieser die vom Versicherer gekürzten Nettoreparaturkosten überschreitet.
Der zur Behebung des Schadens erforderliche Geldbetrag beläuft sich aber im Rahmen der fiktiven Abrechnung nur auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten, wenn der Geschädigte seinen Kraftfahrzeugsachschaden sach- und fachgerecht in dem Umfang reparieren lässt, den der eingeschaltete Sachverständige für notwendig gehalten hat, und die von der beauftragten Werkstatt berechneten Reparaturkosten die von dem Sachverständigen angesetzten Kosten unterschreiten. Der Geschädigte hat in diesem Fall keinen Anspruch auf Zahlung des vom Sachverständigen angesetzten Nettobetrags zuzüglich der tatsächlich gezahlten Umsatzsteuer, soweit dieser Betrag die tatsächlich gezahlten Bruttoreparaturkosten übersteigt.

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