Unterhaltsrecht: Dauer von Kindesbetreuungsunterhalt (§ 1615 l Abs. 2 BGB)

Bundesgerichtshof, Beschluss v. 10.06.2015, Az. XII ZB 251/14

In einer Entscheidung vom 10.06.2015 hat der Bundesgerichtshof zur Dauer des Unterhaltsanspruches des betreuenden Elternteils (meist die Kindesmutter) gegen den nicht betreuenden Elternteil Stellung genommen. Die entsprechende gesetzliche Vorschrift (§ 1615 l Abs. 2 BGB) sieht vor, dass für mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes dem Grunde nach die Unterhaltspflicht besteht und diese sich verlängern kann, soweit dies der "Billigkeit" entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat hier die Vorschrift des § 1615 l Abs. 2 BGB und den nachehelichen Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB weitgehend aneinander angeglichen. Im Wesentlichen geht es hier um die Frage, ob, ab wann und inwieweit der betreuende Elternteil für seinen eigenen Lebensunterhalt trotz Betreuung des Kindes selbst durch eigene Erwerbstätigkeit sorgen muss. (Der Anspruch auf Unterhalt wegen Kindesbetreuung ist bitte nicht zu verwechseln mit dem Kindesunterhalt, der für das Kind zu zahlen ist!)

Im Rahmen der Billigkeitsabwägung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das vollendete dritte Lebenjahr des Kindes hinaus kann sich der betreuende Elternteil nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen, wenn und soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte.

Die Regelung verlangt indessen keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit, insbesondere ist nach Maßgabe der im Gesetz ausdrücklich genannten kindbezogenen Gründe unter Berücksichtigung der bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich.

Neben den vorrangig zu berücksichtigenden kindbezogenen Gründen kommen im Einzelfall auch elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhaltes in Betracht: Etwa dann, wenn die Eltern mit ihrem gemeinsamen Kind zusammengelebt haben und außerdem ein besonderer Vertrauenstatbetsand als Nachwirkung des familiären Zusammenlebens entstanden ist. Dabei ist nach Ansicht des BGH aber stets zu beachten, dass die gesetzliche Regel, wonach eine Verlängerung des Unterhaltsanpruches über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus ausdrücklich begründet werden muss und nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden darf.

Der unterhaltsberechtigte Elternteil hat die Voraussetzungen einer Verlängerung darzulegen und zu beweisen, insbesondere, dass keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich ist, die einer Erwerbstätigkeit oder deren Ausweitung entgegensteht. Auch Umstände, die aus elternbezogenen Gründen zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen können, hat der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu beweisen.

Kindbezogene Gründe liegen beispielsweise dann vor, wenn ein Kind behindert, dauerhaft krank oder schwer in seiner Entwicklung gestört und deshalb auf eine weitere Betreuung durch einen Elternteil angewiesen ist. Aber auch insoweit ist stets der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder für das Kind in einer geeigneten Einrichtung gesichert werden könnte. Im jeweiligen Einzelfall ist auch zu beurteilen, inwiefern die Hilfe Dritter (z.B. Verwandte) in Anspruch genommen werden kann.

Soweit die Betreuung des Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist (und auch der Ausnahmefall eines elternbezogenen Grundes für die Verlängerung des Unterhaltes nicht vorliegt), kann einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils indessen auch noch entgegenstehen, dass die von ihm zu leistende Betreuung und Erziehung des Kindes zu einer überbligationsmäßgen Belastung führt. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, dass am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend in der Regel weitere Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu erbingen sind, die je nach dem individuellen Betreuungsbedarf des Kindes in unterschiedlichem Umfang anfallen können. Insoweit war im entschiedenen Fall von den Vorsintanzen nach Ansicht des BGH nicht hinreichend gewürdigt worden, dass die ein schwerbehindertes Kind betreuende Mutter einen erheblichen zeitlichen Einsatz vor dem Bringen und nach dem Abholen von der Betreungseinrichtung zu erbringen und darüber hinaus noch Therapietermine mit dem Kind wahrzunehmen hatte. Diese Umstände seien bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Betreuung des Kindes mit einer Erwerbstätigkeit angemessen zu berücksichtigen, was im konkreten Fall von der Vorinstanz nicht geschehen war, so dass der BGH an diese zur erneuten Beurteilung des konkreten Falles zurückverwiesen hat.

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